Ich bin Fräulein Athene. Das war nicht immer so. Über lange Zeit war ich Fräulein und Athene. Mal die eine, mal die andere und die Wahrheit, mein authentisches Selbst, irgendwo dazwischen. Das war anstrengend und aufreibend. So wuchs in mir die Einsicht: Ich muss Fräulein und Athene annehmen und sie miteinander versöhnen. Schritt für Schritt. Auf einem Weg, von dem klar war, dass er lang werden wird.
Fräulein Athene also. Ich hätte mich auch anders vorstellen können. Etwa: Ich bin eine Frau „in between“, die Runde um Runde in ihrem Hormonkarussell dreht und eigentlich immer über irgendetwas nachdenkt. Worte helfen mir, meinen Gedanken Form und mir Orientierung zu geben. Ich bin Mutter einer Tochter, die mitten in der Pubertät steckt, und eines Sohnes, der die Entwicklung seiner großen Schwester nicht selten mit leiser Ironie kommentiert. Und: Womöglich ist meine Persönlichkeit treffend mit „weiblich-narzisstisch“ beschrieben. Weil mir das aber doch sehr hart erscheint, bevorzuge ich Fräulein Athene. Das klingt schöner und ist etwas schonender im Hinblick auf meinen Selbstwert. Der braucht noch viel Zuspruch.
Ich fühle mich zerrissen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen äußeren Erwartungen und inneren Bedürfnissen. Das macht die Suche nach meinem authentischen Selbst zu einer wahrlichen und nicht selten schmerzhaften Herausforderung. Fräulein wurde ich als Kind genannt, wenn ich ganz aus mir heraus sprach und handelte und damit so ganz und gar nicht ins Bild passte. Es steht für die unsichere und hilflose Seite in mir, die sich nichts so sehr wünscht wie Anerkennung und Zuneigung und die doch so oft daran zweifelt, genau diese zu verdienen. Ganz anders Athene, die sich nur zu gern an der griechische Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes orientiert. Sie setzt die Messlatte hoch. Eine makellose äußere Erscheinung, Leistung, Karriere und so viel Luxus, wie es nur irgendwie geht. Nicht zu stolpern, während die eine zaghaft tippelt und tänzelt und die andere forsch und entschlossen nach vorne geht, ist gar nicht so einfach. Auf der anderen Seite: Gehört Stolpern nicht auch einfach zum Leben dazu? Zumindest bin ich wieder aufgestanden, nachdem vor einigen Jahren auf einmal kaum mehr etwas ging.
Was ich mittlerweile verstanden habe: Wirklich erfüllt ist mein Leben nur dann, wenn es wahrhaftig ist. Wenn ich Zugang habe zu dem, was ich fühle und wonach ich mich sehne, zu meinen Vorstellungen und zu meinem inneren Kompass.
So soll auch dieser Blog sein: wirklich und wahrhaftig. Ich lasse los und ergebe mich, schließe Frieden, mit dem, was ist. In dem Kampf ziehen möchte ich nur noch, wenn ich weiß warum, wofür und für wen. Kein geschlossenes Visier mehr und keine Fassade. Dafür eine neu gewonnene Klarheit, die mir das Gefühl gibt, immer freier zu werden. Eine neue Haltung zum Leben. Und ein Gewand, das Fräulein und Athene umhüllt und vereint. Mein Blog ist eine Einladung, dieser Sicht auf die Welt zu folgen.
Fräulein Athene
Zum Nach- und Weiterlesen:
Bildau, J. (2024): Raus aus dem Hormonkarussel. Gräfe und Unzer.
Brown, B. ( 2021). Die Gaben der Unvollkommenheit (9. Aufl.). Kamphausen Media.
Wardetzki, B. (2022): Weiblicher Narzissmus. Der Hunger nach Anerkennung (3. Aufl.). Kösel.