Ich schreibe einen Brief. Die Angelegenheit ist persönlich und benötigt den richtigen Angang – sanft im Ton, eindringlich in der Botschaft. Der Anlass gebietet es und der Verhandlungsspielraum ist klein: Meine inneren Anteile benötigen eine Neuaufstellung! Ein Makeover sozusagen. Denn schon seit einiger Zeit brauche ich keinen Filter mehr, der die Dinge schärfer zeichnet, als sie eigentlich sind. Mein Visionboard ergibt ein anderes Bild: Akzeptieren, was war. Zulassen, was ist. Offen sein für das, was kommt. Ich bin so weit und schreibe diesen Brief, der natürlich nur an mich selbst adressiert sein kann.
Liebes Fräulein Athene,
einzigartige, liebenswerte Frau. Erschrick nicht, es ist wahr! Schau etwas genauer hin. Auf dein großes Herz, auf deine aufrichtige Hingabe. Und auch auf das, was du nicht fühlen magst und dennoch zu dir gehört – wie der Schatten, den das Licht auch an den sonnigsten Tagen wirft: dein Schmerz und deine Zweifel. Sie sind nichts, wofür dich schämen brauchst. Sie haben dir geholfen, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn es um dich herum hitzig wurde. Doch Sonnenlicht ist nicht nur gefährlich. Es wärmt auch und macht dich so wunderbar leicht, dass du überzeugt bist, schweben zu können. Lass dafür los, was unnötige Last geworden ist. Du darfst. Du bist in Sicherheit.
Sei, wie du bist. Mit deinen wilden Gedanken und Träumen. Mit dem, was du fühlst und brauchst. Du bist wertvoll, auch dann, wenn du einmal nicht leistest. Darüber magst du dir jetzt die Augen reiben und ich verstehe so gut, warum. Aber das Rumpelstilzchen in dir hat ausgedient. Sein Name ist bekannt, ebenso sein Wesen und der Schaden, den es anrichten kann. Ach, wie gut, dass ich es weiß!
Erspüre ihn, diesen Wert, der da ist, einfach so. Glaube daran, dass du gut genug bist – für andere und für dich selbst. Keine Panik. Das ist nicht Arbeitsverweigerung, Vernachlässigung oder gar ein Egotrip. Vielmehr ist es ein weiteres Märchen, dass nur große Erschöpfung zu großen Ergebnissen führt und dich zufrieden macht. Nimm dir ruhig einen Moment, das zu verdauen. Ich versichere dir: Du brauchst nicht zu leisten, um geliebt zu werden.
Und noch etwas: Du bist ganz und heil. Ich meine das ernst. Unter den Narben und Verwachsungen, den unausgesprochenen Regeln und ungelösten Konflikten spüre ich: Es ist alles gut, wenn du zulässt, dass es das ist. Vertraue darauf: Liebe ist nicht Abhängigkeit. Entschlossenheit ist nicht Kampf. Zuversicht ist nicht Naivität.
Ich vertraue auf dich – dein Fräulein Athene
So soll aus meiner Vision Wirklichkeit werden. „Hinterm Horizont geht’s weiter“ – erst recht hinter dem eigenen.
Fräulein Athene
Zum Nach- und Weiterlesen
Ehlers, M. ( 2025). Radikale Akzeptanz-Der Schlüssel zu innerer Stärke und Selbstheilung (1. Aufl.). Arkana.
Mit Brief und Siegel
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