Mittlerweile kennst du mich vielleicht schon etwas. Obwohl ich nicht von mir behaupten kann, besonders sportlich zu sein, bin ich unermüdlich in Aktion. Ich plane und organisiere, jongliere Termine und Deadlines. Verliert die To-do-Liste einmal merklich an Volumen, bin ich weitsichtig und kreativ genug, sie wieder zu füllen. Und wenn meine Familie vorsichtig anmerkt, ich würde unseren Alltag doch sehr dirigieren, denke ich: Seid froh, dass ich so wenig delegiere. Aktionistisch? So kann meinen Lebensstil nur nennen, wer nicht sieht, was ich stemme und leiste. Sollte ich dafür nicht Anerkennung erfahren, statt kritisiert zu werden?
Ja, so lange Athene glänzt, braucht das Fräulein in mir keine Scham- oder Schuldgefühle zu entwickeln. Nachdenklich stimmen mich nur Situationen, in denen ich schwer unterscheiden kann, ob ich etwas anschiebe, weil ich es will, oder ob ich handle, weil ich mich dazu getrieben fühle. Aber deshalb die Welt einfach sein lassen? So unfassbar viel leichter gesagt als getan. Außer vielleicht, ich mache Momente des Innehaltens zu einem Teil meines regulären wie heiligen Aufgabenportfolios. Die Steinstrategie von Holm Friebe scheint perfekt dafür zu sein. Nicht-handeln, stillhalten und abwarten und, wenn nötig, auch aushalten. Wenn das keine Herausforderung ist! Holm Friebe schreibt: „Wenn du dich bewegst, musst du wissen, wohin. Wenn du dich nicht bewegst, musst du wissen, warum.“ So soll es sein. Herausforderung angenommen.
Ich starte mit einer Bestandsaufnahme und beginne mit der Frage: Richte ich all das, wofür ich meine Zeit aufwende, tatsächlich bewusst auf ein Ziel aus? Wie von allein bewegt sich mein Kopf von rechts nach links und wieder zurück. Es ist nicht so, dass ich keinen Plan hätte – im Beruf und in der Erziehung meiner Kinder zum Beispiel. Aber zahlt das, was ich gewöhnlicher Weise über den Tag mache, zumindest überwiegend darauf ein? Das Verfassen unzähliger E-Mails und Nachrichten? Das stetige Nachhalten von dem was, was in der Welt und um mich herum passiert? Das fortwährende Perfektionieren von Abläufen und Ergebnissen? Nun gut. Erst einmal weiter zur zweiten Frage: In welchen Situationen handle ich aus bestimmten Gründen bewusst nicht? Diese Frage blockt etwas in mir ab. Gewöhnlicher Weise ist das ein Signal, genauer hinzusehen. Ich handle quasi immer. Und wenn ich es nicht tue, dann nur, weil ich mich sorge, anzuecken oder zu scheitern. Dass die Bestandsaufnahme so offensichtlich ausfällt, irritiert mich nun doch etwas.
Dennoch glaube ich mittlerweile an mein Stein-Potential. Bewusst nicht zu handeln – das mag bisher nicht meine Welt gewesen sein. Der Plan, es zu meiner zu machen, aber steht. Deshalb enthält meine tägliche To-do-Liste nun zwei Fragen als Dauereinträge. Erstens: Wohin will ich, mit dem, was ich als nächstes machen möchte oder soll? Und zweitens: Welche Gründe sprechen dafür, es nicht zu tun? Ob es mir auf diese Weise gelingt, etwas ruhiger und gelassener zu werden? Ich halte dich auf dem Laufenden. Und tue ich es nicht, gibt es dafür – ganz bestimmt – einen triftigen Grund.
Fräulein Athene
Zum Nach- und Weiterlesen:
Friebe, H. (2013): Die Steinstrategie. Von der Kunst nicht zu handeln. Heyne.
Wardetzki, B. (2022): Weiblicher Narzissmus. Der Hunger nach Anerkennung (3. Aufl.). Kösel.
Herausforderung angenommen
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