Schön beweglich bleiben

Loriot-Liebhaber*innen ist sie nicht nur als Dessert ein Begriff – Birne Helene und die Konfusion, die sie auszulösen vermag:

Er: Was ist denn das?
Sie: Birne Helene.
Er: Ist aber ein Apfel.
Sie: Mit Schokoladensoße.
Er: Dann ist es keine Birne Helene, sondern ein Apfel Helene.
Sie: Das gibt es überhaupt nicht.
Er: Ein Apfel ist ein Apfel und eine Birne ist eine Birne.
Sie: Lass es stehen, wenn es dir nicht schmeckt.
Er: Es schmeckt mir ja.
Sie: Dann iss es doch. Er: Ich ess‘ es ja, aber nicht unter falschem Namen.

Äpfel mit Birnen zu vergleichen, war wohl noch nie eine gute Idee. Bemerkenswert aber ist: Die verschiedenen Sichtweisen des Ehepaars führen nicht zu einem Zerwürfnis. Er isst die Birne, ihr ist es egal, wie er das Dessert nennt. Das Motiv zieht sich durch den weiteren Film, und es zeigt sich: Birne Helene kann auch ein Apfelkompott mit Sahne sein. Man mag über die offenbar gestörte Kommunikation der Figuren schmunzeln und diese zum zentralen Thema von Loriots Film erheben. Mich aber berührt vor allem der unaufgeregte und in gewisser Hinsicht auch versöhnliche Blick auf die unterschiedlichen Ansichten.

Denn heute erscheint es vielfach umgekehrt. Eine Meinung soll oft auch abgrenzen, die eigene Überlegenheit sichtbar machen und eine etwaige Überforderung überdecken. Schnell geht es um das Grundsätzliche und ums Ganze. Deshalb wird alles eingebracht und mit allem aufgewartet. Schon ein Gendersternchen kann so ein Treffen mit der Familie oder Freunden ruinieren.

Philipp Hübl nennt das etwas pointierter „Moralspektakel“. Er schreibt: „Das Moralspektakel ist Ausdruck einer fundamental veränderten öffentlichen Diskussionskultur, in der die Debatten nicht nur inhaltlich, sondern vor allem emotional polarisiert sind und in der nur wenig Raum für Kompromissbereitschaft bleibt. Die Debatten verzeihen keine Irrtümer, und noch weniger belohnen sie Selbstkritik.“

Die Welt dreht sich und wir mit ihr. Wie kann da die eigene Meinung unverrückbar sein? Dennoch spüre natürlich auch ich den Sog. Das Fräulein in mir schweigt betroffen, während Athene rasch in den Kampfmodus geht. Dabei ist es doch wichtig, wie Sandra Konrad es formuliert: „Gerade in schwierigen Situation nicht gleich verhärten, sondern versuchen, locker zu bleiben: im Kopf und im Herzen.“ Und mal wieder denke ich: Ich muss mit mir selbst versöhnt sein, um versöhnlich handeln zu können.

Diese Haltung kostet Kraft. Daraus auch Taten werden zu lassen, grenzt schon mal an Zumutung. Aber was ist die Alternative? Stetig auf Angriff zu setzen und in Verteidigung zu gehen? Gerechtigkeit nur auf sich selbst zu beziehen? Stetig atemlos und in Aufruhr zu sein? Wenn es Souveränität und innere Freiheit ist, um die es uns eigentlich geht, klingt es vielversprechender, aufgeschlossen und achtsam miteinander umzugehen. Eigene Grenzen haben auf diese Weise nicht zwingend Kampfhandlungen zur Folge, sondern bedeuten zunächst einmal Begegnung auf Augenhöhe.

So hätte vielleicht auch Loriot gefragt: Warum Äpfel und Birnen gegeneinander aufwiegen, wenn man sich beides schmecken lassen kann? Ich bekomme direkt Appetit.

Fräulein Athene

Zum Nach- und Weiterlesen und Anschauen:
Hübl, P. (2024): Moralspektakel. Wie dir richtige Haltung zum Statussymbol wurde und warum das die Welt nicht besser macht. (3. Aufl.) Siedler.
Konrad, S. (2025): Fühlen, was ist. Wie wir den Mut finden, uns selbst zu vertrauen. Piper.
Loriot (Regie). 1991. Pappa ante portas. Rialto Film GmbH, Bavaria Film GmbH.