Gedanken zum Teilen

Memo an mich selbst: Ich bin immer ganz und vollständig ich. Dieses Memo, so merkwürdig es vielleicht klingen mag, hat eine besondere Bedeutung für mich. Es erinnert mich daran, kurz innezuhalten, bevor ich etwas teile. Denn über all dem Teilen in meinem Alltag passiert es schnell, dass ich den Überblick verliere, und manchmal auch mich selbst.

Aber von vorn. Ich teile viel und ich teile gern: die gute Lakritze und mein geliebtes Marzipan, meine Kosmetik und meinen besonders weichen Kaschmirschal, sogar meine Lieblingsohrringe, auch mein Geld und natürlich meine Zeit. Die USA haben seit 2014 einen offiziellen Tag des Teilens, den „National Give Away Day“. Was geteilt wird, ist grundsätzlich egal. Es geht eher um die Haltung hinter der Handlung. Ich finde das schön – fernab von jeder Poesiealbum-Prosa.

Vielschichtiger ist es, wenn das Teilen an Grenzen stößt. Bei unterschiedlichen Ansichten beispielsweise. Oder wenn das Teilen wiederum keine Grenzen zu kennen scheint. Auch das geht mitunter schnell – nicht nur bei grippalen Infekten. Während die Mathematik praktischerweise Teilbarkeitsregeln vorhält, die klar zeigen, was geht und was nicht, funktioniert das Miteinander vor allem nach Regeln, die eher gelebt als ausgesprochen werden. Kein Lehrbuch also. Das, was die eine teilen möchte, darf der andere verwehren. Erfolgskontrollen gibt es allerdings trotzdem. Nicht immer erwartet und nicht selten mit einem anderen Ergebnis, als erhofft. Ich erfahre das bisweilen, wenn ich mit meiner Familie allzu großzügig meine Gedanken teile. Kürzlich erst wurde mein Versuch einer differenzierten wie grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Jogginghosen in der Schule unmissverständlich und vehement zurückgewiesen.
Am kompliziertesten aber ist das Teilen wohl, wenn es um die unterschiedlichen Versionen unserer selbst geht. Wenn Achtsamkeit zum Thema wird und die Frage in den Fokus rückt, warum wir etwas teilen oder es gerade nicht tun. Brauche ich die Resonanz anderer, um mich selbst zu spüren oder zu vergewissern? Geht es mir um die Sache oder ist mein Mitteilungsbedürfnis einfach gerade besonders groß? Möchte ich über das Teilen vielleicht etwas darstellen, von dem ich tief im Inneren glaube, dass ich es nicht bin? Erwarte ich für was Geteilte etwas im Gegenzug? Und was genau hält mich davon ab, etwas zu teilen, wenngleich ich es gerne täte?

Antworten hierauf mögen, abhängig von Zeit und Kontext, unterschiedlich ausfallen. Aufrichtig gegeben, legen sie nach und nach aber etwas über uns frei. Was wir zurückhalten, zum Beispiel, obwohl es zu unserem Wesen gehört, oder ob eine Seite von uns so überhandnimmt, dass unser inneres Gleichgewicht durcheinander gerät. So spüren wir am Ende auch, inwieweit unser Inneres mit dem übereistimmt, was wir nach außen vermitteln.

Während ich noch entschlossen nach ehrlichen Antworten suche, halte ich es für den Moment mit einer meiner Lieblingsfiguren aus „Bridgerton”: „However, gentle reader, before you set the comments section alight with requests for more sordid details, know that I am disinclined to report on the particulars at this time. Patience, after all, is a virtue.“

Geduld ist also angesagt. Achtsam zu teilen, will schließlich geübt sein. Irgendwann soll es auch ohne Memo gehen: ganz und vollständig ich sein– auch, wenn ich teile.

Fräulein Athene

Zum Nach- und Weiterlesen:
Pantony, A. (2021, February 8): Regé-Jean Page just revealed how his family reacted to those steamy Bridgerton sex scenes and we are howling. Glamour. https://www.glamourmagazine.co.uk/article/rege-jean-page-bridgerton-sex-scenes-family-reaction