Ich bin wütend

Triggerwarnung: Ich bin wütend. Der Ton dieses Textes mag davon nicht unberührt sein. Ich bitte um Verständnis. Oder doch nicht. Eigentlich möchte ich heute um gar nichts bitten oder gar selbst für etwas Verständnis aufbringen. Heute will ich nichts müssen, nichts antizipieren, nichts leisten. Ich will es nicht.

So wie Handtücher auf dem Boden. Ich will es nicht. Teller, die in der Spüle stehen, obwohl der Geschirrspüler leer ist. Ich will es nicht. Vereinbarungen und Verabredungen, die nicht eingehalten werden. Richtig, ich will es nicht. Ich spüre förmlich, wie angespannt nahezu jeder Muskel in meinem Körper ist, wie mein Herz rast und mein Atem sich überschlägt. Ich dramatisiere? Vielleicht. Aber: Emotionen genau wahrzunehmen, soll helfen, mit ihnen besser umzugehen. Ich befinde mich eben noch in der Phase, meine Wut zu spüren.

Mit der Emotionsregulation ist es außerdem so eine Sache. Was zunächst einleuchtend klingt und einfach umzusetzen scheint, ist in meinem Fall etwas komplizierter. Denn, so viel weiß ich bereits, bin ich oftmals auch deshalb wütend, weil ich mich gekränkt fühle. Und eine Kränkung lässt sich nicht so einfach weg atmen. Leider. So ist es auch dieses Mal: Ich fühle mich nicht gesehen und nicht geachtet. Sollte mir nicht mehr Wertschätzung entgegengebracht werden? Verdiene ich nicht Liebe und Zuneigung pur? Ich spüre Hilflosigkeit in mir aufsteigen und werde darüber gleich noch einmal wütender. Ein Strudel der Gefühle, der tief ins Innere führt und freilegt, was offenbar Zuspruch und Stärkung braucht. Die Triggerwarnung gilt weiterhin.

Dass es auch anders geht, legt Bei Bärbel Wardetzki nah. Sie schreibt: „Wir sind Kränkungen nicht hilflos ausgeliefert, sondern wir gestalten sie aktiv mit, indem wir Ereignisse oder Reaktionen von anderen als persönliche Entwertung interpretieren. Ereignisse werden zur Zurückweisung, wenn der Gekränkte sie als gegen sich gerichtet und als Minderung des eigenen persönlichen Wertes erlebt.“

Ich kann nachempfinden, was sie meint, und gehe es an. Zähneknirschend zwar, aber das soll an dieser Stelle nicht zählen. Meine Top 4 der Dinge, die ich von Bärbel Wardetzki gelernt habe:

1. Ich gestehe mir meine Kränkung ein. So nehme ich mich, meine Wahrnehmung und meine Gefühle ernst.
2. Ich atme bewusst und bewege mich, um die körperliche und seelische Starre zu überwinden, in der ich mich befinde.
3. Ich teile meinen Ärger mit und kommuniziere meine Bedürfnisse offen und ehrlich.
4. Ich arbeite (weiter) daran, mein Selbstwertgefühl zu stärken, indem ich davon absehe, mich abzuwerten, und stattdessen dazu ermutige, auf das zu schauen, was wunderbar an mir ist.

Es scheint auch dieses Mal zu funktionieren. Also bleibe ich dran, bis die letzten Rauchwolken aus meinen Ohren aufgestiegen sind. Dann, das nehme ich mir vor, werde ich ruhig und klar aussprechen, was mir in meinem Leben wichtig ist. Ich selbst werde mir dabei eine aufmerksame Zuhörerin sein. Triggerwarnung aufgehoben.

Fräulein Athene

Zum Nach- und Weiterlesen:
Barnow, S. (2025): Ich entscheide, was ich fühle. 8 Wege zur Emotionsregulation. Psychologie heute, 52, 1-15.
Wardetzki, B. (2022): Nimm’s bitte nicht persönlich. Der gelassene Umgang mit Kränkungen (10. Aufl.). Kösel.