Ich leiste Widerstand. Ich lehne mich auf und widersetze mich. Nicht mit Härte, Sarkasmus oder gar Rücksichtlosigkeit. Nein, ich setze auf Freundlichkeit. Mein Waffe: Wohlwollen und Empathie. Aber verstehe mich nicht falsch. Meine Freundlichkeit ist kein Ausdruck von Schwäche, meine Verletzlichkeit kein Zeichen von Angst. Weder bin ich schüchtern noch brav, und schon gar nicht folgsam.
Wogegen ich mich auflehne? Unhöflichkeit zum Beispiel, blinde Selbstbezogenheit und Gehässigkeit. Ich will es ohne Anklage tun, und ohne Schuldzuschreibung. Denn die Macht über mich und mein Leben soll in meinen Händen bleiben. Mein Atem ist lang und ich bin äußerst zäh. Vor allem aber nicht allein. Ich schließe mich Nora Blum in ihrer Haltung an, radikal freundlich zu sein.
Radikalität und Freundlichkeit zusammenzudenken mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, vielleicht auch befremdlich. Aber ich finde, es ist so, wie Nora Blum schreibt: „Freundlichkeit ist nicht immer warm und gemütlich. Insbesondere in krisen- und konfliktreichen Zeiten ist die Fähigkeit, aufzustehen und Kritisches empathisch und wertschätzend auszusprechen, von hoher Relevanz.“
So will ich also freundlich sein. Auch und gerade in Momenten, in denen ich früher dicht machte, in denen ich grübelnd Groll hegte oder dem ersten Impuls folgend in den Verteidigungs- oder Angriffsmodus ging. Dabei soll meine Freundlichkeit nicht nur anderen gelten, sie soll ebenso an mich gerichtet sein. Ich will sanft auch zu mir sein. Gerade dann, wenn mir ein Missgeschick passiert oder ein Fehler unterlaufen ist, wenn ich Scham oder Reue empfinde, wenn ich von mir selbst enttäuscht bin oder mich ungerecht behandelt fühle. Ich werde mir selbst die gute Freundin sein, die allzu harte Stimmen in meinem Inneren zurückweist und Verständnis aufbringt für das, was ich bin und was mich ausmacht.
Und meine Freundlichkeit wird bemerkt. Wobei ich nicht verhehlen mag, dass meine aktuell grundsätzlich skeptische Teenager-Tochter meiner neu gefundenen Haltung noch etwas misstrauisch gegenüber steht:
Sie: Was ist los mit dir?
Ich: Ich bin freundlich.
Sie: Okay. Immer jetzt?
Ich: Ja.
Sie: Auch wenn ich in meinem Zimmer Kleidung auf dem Boden liegen lasse?
Ich: Ja.
Sie: Wenn ich vergesse, mein Handtuch zurück ins Bad zu bringen?
Ich: Ich bleibe freundlich.
Sie: Wenn ich meine Zeit am Handy überziehe?
Ich: Ich erkläre dir freundlich die Auswirkungen, die dieses Verhalten haben könnte.
Sie: Und wenn ich abends zu spät nach Hause komme?
Ich: Dann verbringst du den nächsten Samstagabend im Kreise deiner Familie.
Sie: Ich denke, du bist freundlich?
Ich: Freundlich konsequent!
Sie: Wenn du meinst.
Ich: Ich meine sogar, es steckt an.
Ich bin sogar fest davon überzeugt, dass Freundlichkeit Wellen schlägt. Alles, was es braucht, ist Entschlossenheit, Mut und etwas Übung. Schließt du dich an?
Fräulein Athene
Zum Nach- und Weiterlesen:
Blum, N. (2024): Radikale Freundlichkeit. Wie sie dein Leben revolutioniert (1. Aufl.). Kallash.
Holzberg, O. (2025): Die Kunst, freundlich zu uns selbst zu sein. Brigitte, 7, S. 16.

Mit der Kraft meiner Freundlichkeit
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